Die Schüler der BFS Musik Mittelfranken haben sich in einem offenen Brief an Staatsminister Bernd Sibler (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst) und Kultusminister Prof. Dr. Piazolo (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus) gewendet, um auf ihre schwierige Situation in der Musikausbildung während der Pandemie aufmerksam zu machen. Hier der Text in voller Länge (und als PDF):
Sehr geehrter Herr Staatminister Sibler,
sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Piazolo,
in besonderen Zeiten bedarf es besonderer Maßnahmen. Wir, der Schülerausschuss der Berufsfachschule für Musik des Bezirks Mittelfranken in Dinkelsbühl, möchten jedoch einige der in den letzten Monaten angeordneten Maßnahmen ganz besonders anzweifeln. Wir sind junge Erwachsene, die aktuell die Ausbildung zu Berufsmusikern absolvieren. Das bedeutet, dass unter anderem von uns die musikalische Bildung der nächsten Generation abhängt. Doch im Moment wird unsere Ausbildung immer wieder durch Schulschließungen und Lockdowns behindert. Der künstlerische Unterricht im Fernstudium verfehlt sein Ziel. Eine musikalische Ausbildung ist im Onlinebetrieb schlichtweg nicht möglich. Technische Fertigkeiten und Klangkontrollen sind über oft schlechte Internetverbindungen sehr schwer auszumachen und somit kaum zu verbessern.
Während Musikhochschulen und selbst kommunale Jugendmusikschulen im Laienbereich wieder öffnen und Präsenzunterricht halten durften, musste der erste Jahrgang unserer Schule noch immer darauf warten, wieder in den Präsenzunterricht starten zu dürfen.
Wir werden wie eine Berufsschule der dualen Ausbildung behandelt, haben aber nicht die Möglichkeit, im Betrieb praktische Erfahrungen zu sammeln, wenn unsere Schule immer wieder schließen muss. Wir sind keine duale Schule, unsere Bildung hier funktioniert nur live. Während Auszubildende in Industrie und Handwerk während den Schulschließungen in ihre Ausbildungsbetriebe geschickt werden, sind wir dazu verdammt, unsere Ausbildung daheim über rein digitale Kommunikationswege fortsetzen zu müssen.
Alle Schüler*innen absolvieren eine Aufnahmeprüfung, um an der Berufsfachschule für Musik Dinkelsbühl studieren zu dürfen. Einzelunterricht im künstlerischen Hauptfach und Chorleitung sind die beiden Hauptfächer, die den Kern unserer Ausbildung formen. Viele von uns konnten aber noch nie vor einem Chor stehen, und Praxis am Instrument fällt teilweise einfach weg. Auch haben nicht alle Schüler*innen die Möglichkeit, zu Hause zu üben, da Familienmitglieder und Nachbarn ebenfalls im Homeoffice sind. Während der Schulschließungen ist es uns aber nicht erlaubt, in der Schule zu üben.
Unsere Dozent*innen sehen schon jetzt teils starke Schädigungen bei einigen Schüler*innen. Der immer wiederkehrende und lange Lockdown bringt Langzeitfolgen mit sich, sowohl fachlich, als auch psychisch und finanziell, die gravierend und noch nicht voll abzusehen sind.
Und selbst wenn das Schuljahr verloren gegeben wird und freiwillig wiederholt werden kann, so ist das, wenn überhaupt, nur eine Lösung in Einzelfällen. Konsequenterweise müssten auch das Kindergeld, die Familienversicherung und das BAföG um ein Jahr verlängert werden.
Weiter werden auch die einzelnen Jahrgänge unterschiedlich behandelt, indem die Abschlussjahrgänge bevorzugt wieder in den Präsenzunterricht gelassen werden, während die Schüler*innen der unteren Stufen im Lockdown bleiben müssen.
Oft wird diese Ungleichbehandlung damit begründet, dass durch die Trennung der einzelnen Jahrgänge die Schüler*innen vor Kontakten mit anderen Menschen geschützt werden. Allerdings leben die Schüler*innen unserer Schule hier in Dinkelsbühl in WGs, weswegen sowieso Kontakt untereinander besteht. Auch wohnen alle Schüler*innen direkt vor Ort, weswegen eine Gefahr der Ansteckung im ÖPNV von vorn herein nicht besteht.
Insgesamt zweifeln wir die Rechtmäßigkeit der Ungleichbehandlung an. Das Recht auf Bildung besteht verfassungsgemäß für alle gleich. Die Wertungen, die unter Außenvorlassung der Parlamente seit einem Jahr vorgenommen werden, scheinen uns in hohem Maße undemokratisch zu sein.
Die Berufsfachschule für Musik Dinkelsbühl bietet mit hochklassigen Dozent*innen und berufstätigen Musiker*innen eine sehr gute Ausbildung an, die aufgrund des erteilten Einzelunterrichts auch vergleichsweise viel Geld kostet. Dass dieser Unterricht unter vier Augen in Präsenzform nicht möglich sein soll, erschließt sich uns nicht. Für die Dozent*innen ist es außerdem eine doppelte Belastung, wechselweise Online- und Präsenzunterricht für die einzelnen Jahrgänge anbieten zu müssen.
Viele der Schüler*innen möchten nach der Ausbildung an einer Musikhochschule weiterstudieren. Die Studienplätze dort sind begrenzt, doch den Schüler*innen wird es durch den Lockdown stark erschwert das nötige Niveau zu erreichen.
Während an Musikhochschulen mit hunderten Studierenden der Studienbetrieb weitestgehend normal weiterlaufen konnte, wurde unsere Schule mit kaum über 70 Schüler*innen immer wieder geschlossen. Dabei gibt es bis heute keinen einzigen Corona-Fall an unserer Schule, auch nicht, als sie im letzten Jahr unter Hygienevorschriften geöffnet war. Unsere Schule verfügt über ein sehr gutes Hygienekonzept, das alle Dozierenden und Schüler*innen effektiv schützt und sich bewährt hat.
Der Staat hat die Pflicht, den Schüler*innen eine bestmögliche Ausbildung zu bieten. Dieser Pflicht wird aber aktuell nicht nachgekommen, es werden Lebensläufe dauerhaft verändert. Es werden Entscheidungen getroffen, die einzelne Bevölkerungsgruppen schützen sollen, die aber in gewaltigem Ausmaß andere Teile unserer Gesellschaft schädigen. Bildung, Kultur und soziale Beziehungen werden aufs Spiel gesetzt für eine „saubere“ Inzidenz. Die Vorschriften und Eingrenzungen unserer Rechte als Bürger*innen stehen aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zu den Schäden, die dadurch entstehen.
Wir sind Teil der kulturellen Landschaft und mitverantwortlich für deren Zukunft.
Darum fordern wir
- eine dauerhafte Öffnung der Berufsfachschulen für Musik für alle Schüler*innen
- eine Gleichstellung und Gleichbehandlung mit den Musikhochschulen
- Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen
- unser Grundrecht auf Bildung
Mit freundlichen Grüßen
Schülerausschuss der BfsM Mittelfranken