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Szenenfoto aus der Aufführung des Requiems

Mozarts Requiem in der Paulskirche Dinkelsbühl

Hier der Artikel von Martin Stumpf aus der FLZ vom 26.02.24 zum Nachlesen:

SCHLAFENDER KLANGRIESE ERHOB SICH
Ein 90-köpfiges Ensemble brachte in Dinkelsbühls St-Pauls-Kirche Mozarts Requiem zur Aufführung

DINKELSBÜHL - Weit weg. So wirken die Wiener Klassik, Wolfgang Amadeus Mozart und sein Requiem. Für die Mehrheit der Mitteleuropäer schienen auch Tod oder Krieg weit weg zu sein. Die Aufführung des Requiems von Mozart am Samstagabend in Dinkelsbühl trat mit dem Anspruch an, deren »Aktualität unter Beweis zu stellen“.

So kündigte es Professor Dr. Michael Spors, der Leiter der Berufsfachschule für Musik, in seiner Begrüßung an. „Kein Historienspiel“ sollte die Aufführung des 233 Jahre alten Werks werden. Er hatte nicht zu hoch gegriffen. Mit dieser harten und schnellen rhetorischen Zoom- Bewegung hatte Spors am zweiten Jahrestag des Angriffs Russlands auf die Ukraine schon die Themen mitten in die Kirche St Paul gebracht.
Die Weite des Kirchenbaus, der wie eine Konzerthalle wirkt, produziert eine erstaunlich halbtrockene Akustik mit einem geringen Nachhall. Erdverbunden. Unter der Apsis war ein Sound gewordener Chor-Traum zu erleben.
Die 65 jungen Sängerinnen und Sänger der Berufsfachschule sind wie ein schlafender Klangriese, der sich im Dies irae erstmals erheben darf. Behände baut die Masse nach dem Introitus und dem Kyrie ein dunkel-funkelndes Klanggemälde auf. Unnachahmlich, das gläserne Klirren in Sopran und Alt im Confutatis.
Von Uwe Münch, dem Leiter der Aufführung, werden manche sagen, er sei geflogen, so engagiert leitet er das mehr als 90-köpfige Gesamt-Ensemble.
Vor dem Chor findet sich das Orchester „La Banda“, eine Formation aus der Alten-Musik-Szene, das wieder einmal große Freude machte. Mozarts mutmaßlichem Klangduktus folgend, einen verhangenen Ton zu produzieren, etwa durch den Verzicht auf hohe Holzbläser, waren die Blechbläser mit Barocktrompeten und -posaunen besetzt, die einen matten Klang haben. Auch hier ein erdverbundener Ansatz.
Solisten waren Julia Küßwetter, deren müheloser, flexibler und schnörkelloser Sporan sehr gefiel, und Jasmin Hofmann, deren Alt frisch, dicht, atmend ist und einen geheimnisvollen Einschlag hat Lars Tappert, der kurzfristig für den erkrankten Stefan Schneider eingesprungen war, hat einen angenehm timbrierten Tenor. Daniel Fiolkas Bass ist klangstark, unverstellt, geradeheraus.

Ganz vorne bezog das Percussion - Ensemble, bestehend aus Lennart Grünhagen, Elias Scheu und Oscar Tudge, seinen Platz. Sie hatten die tragende Aufgabe, die in der Begrüßung angekündigten Intentionen in Musik zu bannen. An vier Stellen bauten sie Brüche in das Werk ein.
Zuerst natürlich nach dem achten Takt des Lacrimosa, wo Mozarts Handschrift endet. Mit einem Donnerschlag bricht der Tod ein, Glocken leiten in einen Orcus ein, der sich in eine Sphäre weitet. Vor dem Sanctus dann Marschtrommeln, die in ein Echo übergehen. Eine Macht marschiert, die andere muss folgen, Ende in einem Motorendröhnen. Nach dem Agnus Dei wehen in ein Chor-Murmeln hinein Winde in ein riesiges Off, das sich bedrohlich-offen in das Lux Aetema ergießt.
Am Ende dann, auf einen weiteren Donnerschlag und zu den Glocken von St. Paul, öffnet sich ein Raum des Nichts mit einem langen Nachbeben, das bestimmt zwei Minuten lang verklingt, gefolgt von weiteren zwei Minuten absoluter Stille. Dann entspannt Uwe Münch kaum merklich die Handgelenke und deutet das Ende an.
Die Geste eröffnet den Weg für einen Beifallssturm für eine Inszenierung, die einen Gefühlscluster aus Trauer, Hoffnung, Verzweiflung, Trost, Wut und Tatkraft nah gebracht hat. Ganz nah.

Foto der Detailansicht: Martin Stumpf