Hier der Artikel von Thomas Wirth aus der FLZ vom 11.Dezember 23:
Ein riesen Ständchen für Max Reger
Die Musik-Berufsfachschule gratulierte zum 150. Geburtstag
DINKELSBÜHL – Das Max-Reger-Jahr geht zu Ende, und die Dinkelsbühler Berufsfachschule für Musik gratulierte dem Komponisten nachträglich, aber originell zum 150. Geburtstag: „Happy Birthday, Max Reger“ war das Wandelkonzert überschrieben. Wer es erlebt hat, hörte großartige Musik – und durfte sich bei Bratwurst und Bier stärken. Das Pausenvesper im Innenhof der Berufsfachschule gehörte zum Konzertkonzept. Max Reger aß und trank gern, oft in großen Mengen. Die Fülle, das Übermaß, die Maßlosigkeit – sie finden sich auch in seiner Musik. Mit einem kräftigen Humor gesegnet, dachte der Oberpfälzer, zu Lebzeiten ein heftig umstrittener Neutöner, selbst Kunst und Kulinarik zusammen: „Das Schwein und der Künstler haben gemeinsam, dass sie erst nach ihrem Tod geschätzt werden.“ So gesehen sind Wurtsemmel und Bier zwischen zwei gewichtigen Konzertteilen mehr als ein Gag. Bei Kälte und Regen durfte man sich mit ihnen im heiteren Gedenken an den Komponisten stärken. Max Reger, erzählt man sich übrigens in Ansbach nicht ohne Stolz, schätzte die Ansbacher Bratwurst. Der rastlose Reger, viel mit der Bahn auf Reisen, habe in Ansbach immer einen Zug ausfallen lassen, um sich in der Bahnhofsgaststätte ein paar Bratwürste zu genehmigen. Das mag eine lokalpatriotische Übertreibung sein. Ein Pfefferkörnchen Wahrheit wird sie enthalten.
Ungemein produktiv
Alt wurde Reger nicht. Am 19. März 1873 in Brand, also in der nördlichen Oberpfalz, geboren, starb er am 11. Mai 1916 an Herzversagen in einem Leipziger Hotelzimmer. Der Korrekturbogen einer seiner Motetten, einer Matthias-Claudius-Vertonung, soll noch aufgeschlagen gewesen sein: „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit.“ Verglichen mit seinen Zeitgenossen Richard Strauss und Gustav Mahler ist der doch so ungemein produktive Max Reger im Konzertsaal kaum mehr präsent. Aber die Organisten halten ihn hoch, weil er für ihr Instrument epochale Werke geschrieben hat. So war es nur folgerichtig, dass Schulleiter Michael Spors ans Ende des Abends die gewaltige Choralfantasie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ gesetzt hatte. Schlüssig und eindrucksvoll interpretierte Spors das Werk, eine Mischung aus Choralpartita und Sinfonischer Dichtung, an der Rieger-Orgel des Münsters. Er hatte zwei Registranten, Münsterkantor Volker Oertel und Josina Schmid, zur Seite, um seine fein differenzierten, orchestralen Klangvorstellungen realisieren zu können. Spors spannte einen monumentalen Bogen vom mystisch-atmosphärischen Beginn – Todesschlaf und Auferweckung – bis hin zur sich aufgipfelnden Fugen-Apotheose. Sein Grundtempo war recht gemessen, das Fugenthema vor allem trägt mehr Bewegungsenergie in sich, aber ein ruhiger Grundpuls kommt Regers unstet schweifender Harmonik, seiner schwerfasslichen Motivik und seiner dicht verflochtenen Polyphonie sehr entgegen. Der Werkverlauf lässt sich besser nachvollziehen. Von solchen Qualitäten profitierte auch das andere Hauptwerk des Abends, das Klavierquartett a-Moll, das in St. Paul aufgeführt wurde. Die Geigerin Magdalene Kautter, der Bratschist Wolfgang Hermann-Kautter, die Cellistin Verena Sennekamp und Michael Spors am Flügel interpretierten das Opus aus dem Jahre 1914. Die Kirchenakustik vervielfältige scheinbar den Streichklang, ließ ihn aufblühen. Regers voller Klaviersatz grundierte ihn satt, ohne ihn je zu überrollen. Überhaupt walteten viel Feinsinn noch in den schwelgerischsten Aufwallungen und viel Gespür für Inniges, für Verspielt-Filigranes, für leuchtend Helles. Das Quartett durchlichtete Regers komplexe Partitur und ließ, ein Höhepunkt, das Largo sich in zartbitterer Schönheit aussingen. Max Reger, den Kontrapunktiker, den Fugen-Denker, den Bach-Verehrer stellte Magdalene Kautter mit ihren Violinschülern Leonie Trostel und Joschua Franke in zwei Duos aus Opus 131b vor. Energisch bewegt und voller Spielfreude eröffneten die Canons und Fugen in A-Dur und in e-Moll jeweils eine Programmhälfte. Im Münster St. Georg, vor „Wachet auf“, interpretierte ein Streichorchester der Berufsschule noch Regers „Liebestraum“, der meist als „Lyrisches Andante“ firmiert – eines seiner eingängigsten Stücke. Es glänzte seidig.
[Foto: Thomas Wirth]