Hier der Artikel von Martin Stumpf aus der FLZ vom 24.02.25 zum Nachlesen:
Großes Konzert der Berufsfachschule für Musik Dinkelsbühl: Händels „Judas Maccabaeus“ in der Paulskirche
DINKELSBÜHL - Die Berufsfachschule für Musik Dinkelsbühl (BFSM) hatte den Termin für ihr großes Konzert in der St.-Pauls-Kirche gut gewählt. Dann meldete sich auch noch ein aktuelles Ereignis zu Wort.
Dieser Samstag war der Vorabend von Georg Friedrich Händels 340. Geburtstag, zumindest wenn man wie hier üblich den julianischen Kalender als Maßstab nimmt. Sein Oratorium „Judas Maccabaeus“ bot den musikalischen Rahmen.
Aber wenn man den Titel des Abends genau liest, war das „musikalische Drama um Religion und Politik“ nur die Unterüberschrift. Der eigentliche Titel der Aufführung lautete „Hohelied der Freiheit“. Hier sprach Schulleiter Professor Dr. Michael Spors in seiner Begrüßung Themen an, die der Welt in den Knochen stecken: die Corona-Pandemie, der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Situation im Nahen Osten.
Riesiges Feld aktueller Themen
Ein riesiges Umfeld an Themen. Fangen wir beim Fundament an, der Musik. Zu hören war eine Auswahl von Stücken aus Judas Maccabaeus, in dem Händel den Freiheitskampf des Volkes Israel noch vor Beginn der Zeitrechnung thematisiert, sich aber auch auf seine eigene Zeit mit dem Jakobitenaufstand 1745 bezieht.
Der Chor der BFSM mit seinen gut 60 Akteuren ist immer eine sichere Bank. Er gefällt durch den jugendlich-frischen Klang, seine Begeisterungsfähigkeit und große Elastizität. Interessant, wie die in der Apsis stehenden Frauenstimmen in die Kirche hineinleuchten, während andere Stimmen und Instrumente am eher matten Raumklang teilnehmen. St. Paul hat einen mäßigen Nachhall und liefert keine Klangstrahlenkränze.
Dem Ensemble „La Banda“ kann das gleichgültig sein. Es ist ein angenehm fundierter Klangkörper, mit den Finessen eines Alte-Musik-En- sembles, einer wunderbaren Binnendynamik. Dirigent Uwe Münch zeigte sich bekannt feinnervig und fordernd. Noch innerhalb einer Schlussnote formte er den Chorklang sicht- und hörbar. Eine solche Gestaltungsmacht sieht man nicht oft. Weite Strecken lässt er fast bescheiden im Mezzoforte agieren und greift nur sehr selten in die Effektkiste.
Isabell Marquardt hatte es nicht leicht. Sie war die einzige Vokalsolistin, die von der fünfköpfigen Solistengruppe des Originals in das Aufführungskonzept übernommen wurde. Damit ruhen so viele Aufgaben auf ihr. Ihr Sopran ist ungekünstelt, zart und von intimer Klangqualität. Raum und Reflexionsverhalten der Umgebung unterstreichen
diese Milde. Große Momente hat das an den lyrischen Stellen zusammen nur mit Cembalo und Cello.
Das Konzept sah vor, die ausgewählten Passagen aus dem Oratorium mit Texten zu Religion, Politik und Krieg zu etwas Neuem zu verbinden. Peter Cahn sprach sie mit tragender Stimme und nuanciert. Es war keine Wiedergabe der Handlung von Judas Maccabaeus und es war kein Kommentar. Es war eine Fortführung mit modernen Texten, die die durchaus gefährliche Nähe von Religion und Politik mit klingenden Worten bis hin zum Klirren beschrieben, etwa wenn nüchtern das Werk einer Selbstmordattentäterin in einer jüdischen Bäckerei beschrieben wird.
Kein Textheft gab Aufschluss über Titel und Inhalt, nur hin und wieder wurde ein Autor genannt. Nach und nach ballten sich die schweren Themen und kreisten um einen unklaren Kern. Krieg, Kampf, Freiheit, Frieden, Schlacht, Gott, Hoffnung, Sieg, Niederlage, Jubel bildeten schon nach einer halben Stunde ein Cluster, das nicht mehr zu entwirren war. Der bleibende und gefährliche Eindruck war, dass es sich um eine Art naturgesetzliche Mechanik handeln muss - bei den Makkabäer, den Ja- kobften und in der Gegenwart.
Wie zur Warnung hatte Michael Spors in seiner Begrüßung auch von der scheinbaren Selbstverständlichkeit von Freiheit gesprochen hat. Die gegenwärtige deutsche Gesellschaft könne sich nicht vorstellen, wie ein Leben ohne Freiheit wäre. Seine Hinweise auf das Grundgesetz und seinen Schutz für die Freiheit und die Würde des Menschen, hatten am Vorabend der Bundestagswahl noch einmal einen anderen, einen schweren Klang.